Freitag, 11. Juli 2008

Hochwildstelle oder: die Geschichte vom Felsblock

Von der Natur überwältigt, von den Strapazen gezeichnet, vom Gipfelsieg endorphiniert komme ich heute von der gewaltigsten Tour zurück, die ich bislang gemacht habe (aber: auch wenn manche Leute das Gegenteil behaupten: ich bin noch JUNG!). Die Hochwildstelle in den Schladminger Tauern war heute unser Ziel, mit meinem Bergkameraden Stefan habe ich sie nach einem ordentlichen Hatscher auch erreicht. Umso größer war die Freude am Gipfel, es war für mich eines der schönsten Gipfelerlebnisse bislang. Aber der Reihe nach.
Ausgangspunkt war der Parkplatz im Seewigtal, wo wir nach kurzer Fahrzeit auf der Mautstraße von Aich im Ennstal kommend unser Auto direkt beim Schranken stehen ließen. Die Sonne brannte schon einigermaßen vom Himmel, leider habe ich ja meine Wanderschuhe zunächst in der Wohnung vergessen und wir mussten in Deutschfeistritz nochmal umdrehen. Das tat aber unserer Laune keinen Abbruch und nachdem wir eine weitere Verzögerung durch einen kurzen Abstecher zum Fast-Food-Original in Liezen (da spielen sich augenblicklich werbemäßige Dramen entlang der B320 ab, sehr lustig!) in Kauf nahmen, gings vom Parkplatz letztlich erst um 08.15 Uhr los.
Sofort taucht man in die traumhafte Landschaft im Seewigtal ein, erreicht nach wenigen Minuten schon den ersten (von insgesamt drei) Seen, die man im Zuge dieser Tour passieren "muss": Der Bodensee, der im Ennstal auch schon beschildert ist, liegt malerisch und kann mit dem großen Wasserfall auf seiner Südseite zusätzlich punkten. Dorthin müssen wir auch, gehen entlang des Ufers, bestaunen die fliegenden Fische und erreichen am Wasserfall die erste Steilstufe. Bis zur Hans-Wödl-Hütte auf 1.528 Meter heißt es jetzt 400 Höhenmeter über einen steilen Weg zu überwinden, in Serpentinen zieht sich der Steig rechts neben dem Wasserfall durch die Rinne, was immer wieder spektakuläre Einsichten in den Fall gibt. Keuchend und vor Schweiß triefend erreichen wir aber in 40 Minuten die Geländekante und erblicken erstmals das Tagesziel hinter der Wödlhütte. Weiter führt die Route - vorbei am Hüttensee - wieder über die nächste Geländestufe bis zum Obersee, der ganz oben über einen traumhaften Wasserfall die ersten Höhenmeter nach unten überwindet. Dort finden wir auch den einzigen wirklich kühlen (weil schattig und in der Gischt des Wasserfalls liegenden) Platz, den wir für ein kurzes Durchschnaufen und Besprechen der Route nützen. Immerhin sieht man nun bereits das Gipfelkreuz, den Aufstiegsweg in die Neubauscharte kann man erahnen, die Schlüsselstelle Seewigscharte respektieren lernen.
Und weiter gehts, erst am See vorbei, dann immer steiler und steiler direkt auf die Scharte zu. Es warten jetzt ca. 600 Höhenmeter auf diesem im wahrsten Sinne des Wortes steinigen, von Felsblöcken immer mehr durchzogenen Steig. Schier endlos zieht sich der Weg nach oben, bald erreicht man das Ende der üppigen Vegetation und ist der Sonne gnadenlos ausgesetzt. Die eine Stunde am Morgen haben wir bereut, doch hilft alles Jammern bekanntlich nichts und geschafft haben wirs auch: einigermaßen besorgt ob der rundum sichtbaren Gewittertürme erreichen wir die Scharte und sind erleichtert, denn der Grat gibt die (wunderbare) Sicht bis hinein in die Hohen Tauern mit Ankogel, Glockner frei - die Zugrichtung der Wolken stimmt, außerdem sind sie noch vereinzelt. Die Gewittergefahr ist also für uns noch sehr gering und wir zögern nicht lange mit dem weiteren Aufstieg in Richtung Kleine Wildstelle. Es wird steiler, mit leichten Klettereien, jedoch genießen wir bei jeder Gelegenheit die fantastische österreichische Bergwelt, blicken auf den Hochgolling, den Hochstein, das Dachsteinmassiv oder hinunter ins Seewigtal sowie auf der anderen Seite des Grats zu Wildloch- und Riesachsee. Meter für Meter arbeiten wir uns nach oben und erreichen auch bald den Grat hinüber zur Seewigscharte, die in der Literatur als schwierige Schlüsselstelle dieser Tour beschrieben ist. Der Weg am Grat wird zusehends schmäler, links und rechts bricht es sehr steil, teils fast senkrecht ab und die Scharte ist erreicht. Sie muss in Richtung Südwest abgeklettert werden, stellt aber zu unserer Überraschung bei weitem nicht die Herausforderung dar, die wir befürchtet hatten. Mit Eisengriffen gut versichert, steigt man die paar Höhenmeter an sich - absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit vorausgesetzt!! - problemlos hinunter und steht vor der letzten großen Herausforderung der Tour: Der Gipfel der Hochwildstelle baut sich mächtig vor einem auf und verlangt unseren größten Respekt.
Nach einigen Kletterpassagen, teils ausgesetzt, manchen hantigeren Stellen, erreichen wir plötzlich den Gipfel. Etwas überrascht, dass es doch recht flott gegangen ist (und dass uns unsere Höhenmesser aufgrund der sich ändernden Wetterlage um 70 Meter beschwindelt hatten), gehen wir die letzten Meter am Grat aufs kleine Gipfelplateau der Hochwildstelle auf 2.747 Metern Seehöhe. Ein absolut geiles Gefühl: das Adrenalin vom Aufstieg noch in den Poren schießen die Endorphine in die Adern. Der Blick schweift vom schönen Gipfelkreuz über die absolut atemberaubenden Berge, allein der Nachbargipfel Waldhorn (auf 2.702 Metern) lässt das Bergsteigerherz höher schlagen. Wir klatschen ab und freuen uns wie die Schulkinder - eine schwierige Tour zumindest einmal im Aufstieg absolviert, über 1.700 Höhenmeter haben wir nun schon in den Beinen. Aufgrund der nach wie vor guten, dennoch unbeständigen Wetterlage beschließen wir auch, auf das Gipfelbier zu verzichten und nach dem Eintrag unserer Königsetappe ins Gipfelbuch sofort den Abstieg zu beginnen.
Leichter als erwartet fällt uns das Abklettern des Gipfelanstiegs, auch die Seewigscharte lassen wir gekonnt hinter uns und marschieren zügig erst am Grat, in weiterer Folge am südseitigen Rücken der kleinen Wildstelle retour zur Neubauscharte. Auf dem Weg unterhalten wir uns noch mit einer sehr sympathischen Radstädterin, auf diesem Wege die besten Grüße (und wir hoffen, dass sie nicht ins vom Untertal kommende Gewitter auf ihrem Abstieg zur Preintaler Hütte erwischt wurde). An der Neubauscharte entschlossen wir uns, direkt zur Hans-Wödl-Hütte abzusteigen und unsere Jause im Rucksack zu lassen. Die Bergsteigersuppe konnten wir nämlich schon in den Nasenlöchern riechen. Und das sollte sich auch als gute Entscheidung erweisen, denn langsam aber sicher zog es rundum immer mehr zu und das Gewittergrollen wurde häufiger, wenn auch nach wie vor entfernt. Ein kurzer Regenschauer erwischte uns dann doch noch, die letzten 5 Minuten zur Wödl-Hütte schafften wir aber auch so - und dann gabs endlich die verdiente Pause, schon fast am Ende der Tour. Der Abstieg zum Auto erwies sich nämlich als kurzweilig, in 45 Minuten erreichten wir den Parkplatz und machten uns begeistert von einem erinnerungswürdigen und eindrucksvollen Tag auf den Heimweg. Mit einer Trophäe im Gepäck: der Hochwildstelle.
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1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Puh! Soviel lesen kann ich nicht. Beim ersten Foto dachte ich, ihr seid in den Rauchfang abgestiegen.

Ich weiß, kein sehr niveauvoller Kommentar. Aber wer viel erlebt, hat viel zu erzählen.

Ist mir beim Posten heute morgen auch so gegangen. - http://wandertipp.at/andreasbaumgartner/2008/07/13/unsere-wachau-reise-ein-tag-wie-ein-ganzer-urlaub-1272008/

LG Andreas